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Haftung von GmbH-Geschäftsführern für Steuerverbindlichkeiten: Neue Klarstellungen zur Mittelvorsorgepflicht durch aktuelles BFH-Urteil

Die rechtliche Verantwortlichkeit von Geschäftsführern einer GmbH bezüglich Steuerschulden ist ein zentrales Anliegen in der Unternehmensführung. Kürzlich erging ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH), das wichtige Klarstellungen zur sogenannten Mittelvorsorgepflicht bietet. Nachfolgend werden die wesentlichen Aspekte dieses Urteils näher beleuchtet.

 

Gemäß geltendem Recht haften Geschäftsführer persönlich für Steuerschulden der GmbH, wenn die Steuern infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Pflichtverletzung nicht ordnungsgemäß festgesetzt oder erfüllt werden. Dies schließt auch Fälle ein, in denen Steuervergütungen oder -erstattungen ohne rechtliche Grundlage erfolgen. Die Finanzbehörde ist befugt, in solchen Situationen Haftungsbescheide gegen GmbH-Geschäftsführer zu erlassen, um diese Ansprüche durchzusetzen.

 

In der Praxis argumentiert die Finanzverwaltung häufig, dass Geschäftsführer ihre Mittelvorsorgepflicht verletzen, insbesondere in Zeiten finanzieller Engpässe infolge wirtschaftlicher Krisen. Besonders seit der Einführung von § 15b Abs. 8 Insolvenzordnung (InsO), welcher bei der Steuerentrichtungspflicht eine teilweise Haftungsbefreiung gemäß § 69 (Abgabenordnung) AO vorsieht, ist dieses Thema von Relevanz.

 

Das jüngste Urteil des BFH vom 29.8.2023 (Az.: VII R 47/20) hat hierzu wesentliche Klärungen gebracht. Das Urteil bezieht sich auf die Nichtabführung der Biersteuer, einer Verbrauchssteuer. Der BFH betonte, dass Geschäftsführer dafür Sorge zu tragen haben, dass zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Steuer-schuld ausreichende Mittel vorhanden sind. Dies erfordert aber auch eine Berücksichtigung der steuersystematischen Erwägungen, z.B. die jeweilige Steuerart, sowie der individuellen Umstände des Einzelfalls.

 

Der BFH hatte hierbei berücksichtigt, dass die Biersteuer durch die Entnahme aus dem Steuerlager entsteht aber erst am 20. Tag des auf die Steuerentstehung folgenden Monats zur Zahlung fällig wird. 

 

Entscheidend ist, dass eine Verletzung der Mittelvorsorgepflicht nur dann vorliegt, wenn bereits zum Zeitpunkt der Entnahme von Waren aus dem Steuerlager klar ist, dass zum Fälligkeitszeitpunkt der Steuer keine Mittel zur Verfügung stehen werden. Solange dies noch ungewiss ist, etwa aufgrund von Verkaufsaktivitäten oder laufenden Verhandlungen mit Kreditinstituten, kann keine Pflichtverletzung angenommen werden.

 

Das Urteil des BFH macht auch deutlich, dass Geschäftsführer nicht dazu verpflichtet sind, bereits bei Entstehung der Steuerschuld Mittel für deren Begleichung zurückzulegen. Ihre Verantwortung be-steht vielmehr darin, sicherzustellen, dass zum Zeitpunkt der Fälligkeit ausreichende Mittel verfügbar sind.

 

Das Urteil des BFH markiert einen wichtigen Schritt zur Klarstellung der Verantwortlichkeiten von Geschäftsführern bezüglich Steuerschulden. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie sich diese Rechtsprechung in der Praxis weiterentwickelt und welche Auswirkungen sie auf die Haftungspraxis der Finanzverwaltung haben wird. Geschäftsführer sollten sich bewusst sein, dass die Einhaltung der Mittelvorsorgepflicht eine zentrale Aufgabe darstellt, um Haftungsrisiken zu minimieren und die finanzielle Stabilität des Unternehmens zu gewährleisten.